Jeff Chi – (Web-) Comiczeichner aus Erlangen

Noch bis zum 15. Juli 2012 kann man im Erlanger Kunstmuseum, neben dem Einkaufzentrum „Arcaden“, die Ausstellung „CCC – Cartoon, Caricature und Comic“ sehen, die im Rahmen des 15. Internationalen Comicsalons dort eingerichtet wurde. Im großen Saal des Museums ist eine kleine, aber beeindruckende Retrospektive des Zeichners David B., insbesondere mit Bildern seiner Arbeiten zu „Die heilige Krankheit“ zu sehen. Man sollte sich dafür viel Zeit nehmen oder mehrmals wiederkommen – obwohl ich schon zuvor Comics von David B. kannte, mußte ich mich doch erst an die Schrecken gewöhnen, die man da zu sehen bekommt. Ähnlich wie bei Goya oder Francis Bacon – ich denke, der Vergleich ist zulässig – entdeckt man mit der Zeit, wie die Darstellung des Schrecklichen eine heilende Wirkung entfalten kann, wenn man sich darauf einläßt. Der Rest der Ausstellung ist mit überwiegend pointiert witzigen Karikaturen und durchaus auch sozialkritisch-politischen Comics beschickt. Eine Entdeckung war für mich der Erlanger Comiczeichner Jeff Chi, der mit zwei Exponaten aus seiner Serie „Leute, die ich nicht kenne“ und einer weiteren Druckgraphik vertreten ist und den ich hier in einem kleinen Interview vorstellen möchte. 

lesbarkeit: Bei der Vernissage wurde erzählt, dass Du Dich selbst bei dem Kurator, Dr. Sandweg, gemeldet hast, um in die Ausstellung zu kommen, das finde ich cool! Wie lief das ab?

jeff chi: Ich hab´gesehen, daß es aus Anlaß des Comic Salons eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Comiczeichner der Region“ geben sollte, und ich dachte mir, okay: aus der Region, ich wohne jetzt ja auch hier,  warum sollte ich da nicht einfach mal anfragen? Ich bin ja nun erst seit einem knappen Jahr hier in Erlangen und wollte mich hier ein wenig einbinden, hier ankommen, einfach sagen: mich gibt es auch hier! Ich habe hingeschrieben und so hat das dann seinen Lauf genommen.

lesbarkeit: Wieso bist du ausgerechnet nach Erlangen gekommen? Nicht wegen des Comic Salons?

jeff chi: Nein, meine Freundin studiert hier Buchwissenschaften, ein Fach, dass es in Deutschland nicht oft gibt und das hier sehr gut ist. Ich habe mich entschlossen, dass ich mit ihr hier leben möchte. Obwohl ich auch hätte studieren können, mache ich hier nun erst Mal eine Ausbildung als Mediengestalter, Design und so… Studieren kann ich, wenn ich das möchte, ja immer noch und hätte dann mit der Berufsausbildung sogar noch bessere Voraussetzungen als nur mit Abitur. Ich bin nicht so der Typ, der Karrierepläne macht. Es klingt ja so nach Klischee, aber es ist wirklich so: Die meisten deutschen Comiczeichner machen auf Design und Illustration als Beruf und versuchen, nebenbei was mit den Comics zu erreichen.

lesbarkeit: Wie bist du auf Comics gekommen? Wann hast Du Deinen ersten Strip gezeichnet? Warum dieses Medium?

jeff chi: Ja, das kam so: Ich habe schon als Kind immer gern gezeichnet. Als Kind vergleicht man sich ja dauernd: Was kann ich und was können die anderen so? Und mein Talent war eben klar beim Zeichnen. Später habe ich mich dann für den Kunst-Leistungskurs entschieden, bin also immer mehr in diese Richtung gegangen, wußte irgendwie immer genauer, dass ich so ein künstlerischer Typ bin. Zum Comic selbst- na ja, ich habe schon als Kind gerne Comics gelesen, aber alle Kinder tun das, oder? Daran kann es nicht liegen. Konkret ist Folgendes passiert: Ein Mitschüler hat einen Cartoonband in die Schule mitgebracht von Joscha Sauer, das ist diese „Nicht-Lustig“ Reihe! Das fanden wir alle total witzig, und ich habe im Comicladen geschaut, was es da sonst noch gibt. Und irgendwie, ich weiß nicht mehr wie genau, bin ich dann auf Flixx und seinen Blog mit „Heldentage“ gekommen. Das hat mir total imponiert was er da gemacht hat, aber es war noch nicht der Punkt, wo ich das auch machen wollte – doch auf dem Rand dieser Seite waren links zu anderen Comicblogs, und so habe ich Zwarwald entdeckt – der ja in diesem Jahr auch den Lebensfensterpreis bekommen hat auf dem Comicsalon. Und Zwarwald fand ich dann total super – zuerst schon mal der ganz krakelige Zeichenstil, ohne jeden Anspruch, realistisch zu sein oder möglichst gut auszusehen… dieser ganz eigene Stil, nur Flächen und Linien… Der Flixx zum Beispiel hat ja immer dieses Viererpanel, aus dem er dann je etwas Ganzes macht. Aber Zwarwald hat eben auch abwegige Ideen, er stellt einfach dar, was er z. B. geträumt oder erlebt hat, ohne Pointe und tiefere Bedeutung… einfach so, krakelig und direkt – und ich dachte mir, das kann ich vielleicht auch machen, und so ist es jetzt.

lesbarkeit: Dein blog heißt „Spinken und Turmina“ – was bedeutet das ?

 jeff chi: Vor ein paar Jahren, ich war so ungefähr 15, gab es an unserer Schule eine Wandschmiererei,  eine Art Buchstabensalat, nur: „Spinken und Turmina“ http://www.spinken.net/ stand da, und wir waren fasziniert von diesen Wörtern, deren Bedeutung keiner kannte. Als ich dann mit dem Comicblog begann, habe ich ihn – sozusagen als Insiderwitz – „Spinken und Turmina“ genannt. Inzwischen dachte ich mir schon oft, dass es ein alberner Name ist, aber er hat sich so etabliert und nun kann und will ich das nicht mehr ändern. Es sind keine Personen, die bei mir vorkommen oder so – vielleicht mache ich das aber irgendwann, vielleicht habe ich mal Lust, und dann erfinde ich vielleicht Personen dieses Namens.

lesbarkeit: Sind es wirklich autobiographische Geschichten, oder erfindest du da viel?

jeff chi: Doch, das ist autobiographisch. Ich mache den Comic so, wie ich es erlebt habe, und wenn manchmal etwas überspitzt ist, dann zeichne ich es so, dass man das merkt und setze verschiedene Stilmittel ein, um zu zeigen: das ist jetzt erfunden.

lesbarkeit:  Die Strips in Deinem Blog sind ja unterschiedlich gezeichnet: Manche sind „nur“ schwarz weiß und krakelig, aber andere – ich muß gestehen, die gefallen mir besser – sind farbig und sehr sorgfälltig gezeichnet. Eine Besonderheit fällt mir bei Dir auf, die mich sehr beeindruckt: manchmal treten die Farbflächen über die Konturen hinaus, es ist als ob die Farbe aus dem Bild heraustritt und die Person dadurch undeutlich wird, zugleich erscheint mir, wird das Innenleben oder eine innere Bewegung der Figur deutlich… Spannende Sache!

jeff chi: Ah ja, vielleicht weiß ich ,was Du meinst – interessant, aber ich denke, das mache ich eher unbewußt… Unterschiedlich sind meine Comics aus verschiedenen Gründen. Zum einen habe ich ja den Anspruch, das täglich zu machen – aber manchmal hat man wenig Zeit, und dann habe ich aber z. B. bei einer Bahnfahrt eine Idee, und dann zeichne es eben trotzdem so hin und scanne es am Abend ein, ohne noch groß was zu machen. Manchmal habe ich aber eben mehr Zeit oder nehme sie mir, und dann ist das genauer ausgearbeitet. Bei meinem Blog ist das wohl so – mir fällt jetzt grade niemand anderer ein, der das auch so macht, vielleicht mache nur ich das so – ich möchte es einfach auch immer anders machen, nicht unbedingt einen durchgehend erkennbaren Stil haben, ich will abweichen. Manchmal ist allein die Linienstärke anders, oder ich nehme ein anders Farbschema – ich experimentiere gern mit meinem Stil. Es gibt schon so eine Standardrichtung, die Figuren haben weiße Haut und Kreise als Augen (lacht), aber warum soll ich es auch nicht zwischendrin ganz anders machen? Ich habe nicht unbedingt immer wieder erkennbare Figuren oder Situationen, die sich fortsetzen. Daneben ist bsonders bei längeren Sachen auch die Anordnung der Panels und die Verteilung der Sprechblasen wichtig, das muß man sich genau überlegen.

lesbarkeit: Es wird bei Dir klar, dass nicht nur die Inhalte, sondern auch der variable Zeichenstil jeweils ein Ausdrucksträger sind… Es kommt etwas sehr individuelles dazu, Du willst deutlich nicht nur eine Geschichte malen, sondern es kommt auch so ein Zeichnen des Zeichnens dazu, wenn man das so sagen kann… Wie sind Deine konkreten Arbeitsschritte, zeichnest du auf Papier und scannst du ein?

jeff chi: Früher – eigentlich bis vor dem ComicSalon grade, habe ich immer alles am Computer gemacht, ich habe ein Zeichentablett ( guckt mal, hier: http://youtu.be/45l7xcQzW-Q ). Aber durch den ComicSalon habe ich nun auch wieder Lust bekommen, analog zu zeichnen, ich habe das nun wieder versucht, dass auf einem Skizzenblog zu machen, und das mache ich jetzt öfters – nicht grundsätzlich oder so, aber öfters. Es ergibt sich eine andere Linienführung als auf dem Tablett.

lesbarkeit: Wie kommt es zu solchen Blättern wie „Leute, die ich nicht kenne“?

jeff chi: Schon vor ein paar Jahren hab ich mir überlegt, dass ich ab und zu mal was längeres machen möchte, um vielleicht auch mal so in die Druckschiene rein zu kommen…  Ich bin gar nicht scharf auf Zeitungsstrips, die pointiert und gleich sein müssen, das ist nicht mein Format – ich mache gerne Sachen, die gar keine Pointe haben sondern einfach nur so ein Erlebnis darstellen, mir gefallen die etwas längeren Episoden wie „Leute die ich nicht kenne“, sie sind aber eher ungewöhnlich für mich, sind nicht für einen workshop oder für ein bestimmtes Thema in Magazinen oder so entstanden, wie die meisten anderen Sachen, die ich gemacht habe, sondern einfach so.

lesbarkeit: Bis zum 15. Juli können sie noch angesehen werden. Auf Jeff Chis Blog können wir verfolgen, was da noch kommt, und das wird bestimmt eine ganze Menge sein!

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