Wedding heißt nicht Hochzeitsfeier, sondern es ist ein Viertel in Berlin.
Anscheinend wohnt dort der uns allen bekannte @quitzi, und gemeinsam mit einem Coautor, der eventuell Ölat heißt oder sich nur so nennt, hat er das Fanzine mit dem Titel „WeddingWunderland“ herausgegeben. Auf der Rückseite des Photo/Textwerkes der Untertitel „Überhörtes aus dem wunderbarsten der Berliner Bezirke.“
Wunderbar? Für Fans?
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Den im Glanz der Hauptstadt leicht zu überhörenden Weddingbewohnern wurde zugehört, im Vorübergehen oder aus der zufälligen Nähe. Die Kombination mit eindringlichen Photos der Weddinger Straßen und Gebäude gibt einen genauen Eindruck vom Leben dort – oder nur von einem Ausschnittt desselben? Ist es eine Auswahl von besonders schaurigen Gesprächen? Shocking und uncomfortable. Also, ich weiß jetzt, wo ich in Berlin ganz bestimmt nicht hin will. Ein Trost: „Das Miteinander der Kulturen im Arbeiterbezirk, wenngleich manchmal etwas holprig, funktioniert,“ das ist ja schon was!!!
Normalität und Gewohnheit, Ortsgebundenheit sind Themen, die nach mehrfacher Lektüre herausragen. Die Gespräche scheinen an diesem ihren Ort keinerlei Panik auszulösen, die böse Bemerkung wird von einem Lächeln begleitet; die „Kakophonie der Großstadt“ erinnert an Idyllstrukturen und selbst Beschimpfungen („Did is keen Fahrradweech!“) werden als sinnhaft empfunden und werden ggf. vermisst…
Es gibt Lichtblicke, z.B. kleine Töchter und besondere Nudeln, wunderschöne Weinranken und eine Art schräger Baudenkmale – „art brut“ made in Berlin. Manche der „überhörten“ Dialoge sind überwältigend, z.B. einer von „Zwei Jungen vorm U-Bahnhof Osloer Straße“ – allein deshalb sollte jeder in der Republik dieses Heft kaufen. Man erfährt etwas vom Leben in diesem Land, aus der Innensicht, und es scheint weit weg wie der Mond. Es macht beklommen, daran zu denken, dass dies ein „überhörter,“ nicht wahrgenommener Bestandteil der Realität dieses Landes ist und dass politische Entwicklungen dort ebenso ihren Anfang – und eventuell ein Ende – nehmen, wie irgendwo auf der Welt.
WeddingWunderland zeigt einen Ausschnitt. Ausschnitte machen beklommen. Man – ich – möchte das Ganze sehen. Ich möchte das Ganze sehen und erwarte durch die Sicht aufs Ganze eine Harmonisierung, wie ich gestehen muß. Es quält mich im Ernst, nicht zu wissen, was der volle Text auf dem Automaten der Titelseite zu bedeuten hat – auf einer Seite fehlen Buchstaben Irgendetwas Schmales, das man in Automaten verkauft um 1€, das entweder so beliebt ist, dass es ausverkauft wurde oder so nullig, dass man den Automaten vergessen hat und nicht mehr auffüllt.
AUTO-MA DEN TO-MA DEN
Na ja, nicht fränkisch, sicher nicht, da wird berlinert und eine phonetische D/TProblematik gibt es nicht.
WeddingWunderland zeigt Ausschnitte aus dem Leben eines Berliner Bezirkes, willkürlich gewählte oder repräsentative? Gehörte Fragmente des Lebens im Wedding von Ölat werden mit Photos von @quitzi kombiniert, die bruchstückhaft verschiedene architektonische Gegebenheiten des Stadtviertels abbilden. Alle Perspektiven fächern optische und sprachlich-inhaltliche sowie sprachlich-soziale Aspekte des örtlichen Alltagslebens auf. Vielleicht findet der Weddinger dies alles nicht ungewöhnlich und leidet nicht etwa…
Was empfindet wer wann wo als normal und in Ordnung? Welchem Welterlebnisausschnitt begegnet einer mit Aufmerksamkeit und (man verzeihe mir die Wortwahl) liebender, kunstgebärender Hingabe?
Eine weitere Bemerkung auf der Rückseite des Fanzines „Mehr Wedding ist nur Boateng“ rätselhaftet nach der Lektüre. Ein Weltmeisterfußballspieler, vielleicht aus Wedding gebürtig, ein begeisterter, erfolgreicher Weddinger? Eine positive Perspektive, ein ins Weite führender Weltausschnitt? Vielleicht wird dies durch einen Selbstkommentar von @quitzi und Ölat irgendwann aufgeklärt. Besser wohl nicht, denn Kunst sollte man nie erklären.